Sonntag, 2. Oktober 2011

zwölf

Ich bin jetzt über eine Woche hier. Ich halte es jetzt kaum noch aus.
Das Schlimmste ist, dass ich wieder etwas gegessen habe. Es war zu viel! Es waren so viele Äpfel. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben, mich so weit zu kriegen. Ich war schwach. Zu schwach. Körperlich fühle ich mich nicht mehr so kraftlos, wie noch vor einiger Zeit. So, wie es jetzt ist, ist es besser. Ein bisschen. Abgesehen vom Essen. Aber davon kann man nicht absehen. Kann ich nicht absehen.

Jetzt weiß ich aber wieder, was ich tun muss. Und was ich zu tun habe. Es ist wieder ganz deutlich da. Kein Essen mehr für mich. Dafür habe ich in den letzten Tagen wieder zu viel zugenommen. Das muss weg. Und noch viel mehr. Mein Fett ist noch da. Es geht nicht einfach so weg. Ich bin fett. Fett! Ich bin hässlich. Jeder weiß das. Jeder kann es sehen. Und doch will mich jeder davon abhalten, schön zu werden. Warum?
Es klopft. Ich liege im Bett. Sage nichts. Es klopft wieder. Vorsichtig geht die Tür auf. Eine Schwester? Eine Mitarbeiterin? Ich weiß nicht, wer was ist. Es interessiert mich auch nicht. Wofür auch? Nicht mehr lange und ich bin hier weg. Ich versuche mir einzureden, dass ich recht habe. Ich hoffe es.
Sie sagt, es ist Essenszeit. Doch das stimmt nicht. Für mich nicht. Für die anderen vielleicht. Für mich nicht. Ich werde nicht essen. Ich werde nicht noch einmal so schwach sein. Feige es abzulehnen. Ich bin stärker. Viel stärker. Ich werde die Stimme nicht wieder enttäuschen. Das darf ich nicht. Niemals.
Mitgehen muss ich trotzdem. Ich warte noch eine Weile. Sie steht noch immer in der Tür. Irgendwann bewege ich mich. Stehe auf. Gehe mit. Setze mich zu den anderen. Die anderen sind dünn. Das kann ich sehen. Sie gucken. Alle gucken mich an. Auch wenn sie es heimlich tun, so weiß ich es doch. Sie sind dünn. Vielleicht schön. Doch ich bin es nicht. Ich gehöre nicht hier her. Ich kann das nicht verstehen. Warum ich hier bin, meine ich. Das passt alles nicht zusammen. Ich möchte nach Hause. So gerne.
Das Essen steht bereits auf dem Tisch. Es ist Suppe. Gemüsesuppe vielleicht. Oder Hühnersuppe. In einem anderen Topf sehe ich Kartoffeln und Gemüse. Fleisch ist auch da. Oder Fisch. So viel für so wenig Leute. Übertrieben, in meinen Augen.

Die Portionen werden aufgeteilt. Man kann sich etwas aussuchen. Jedenfalls fast. Es wird auf die Kalorien geachtet von den Mitarbeitern. Man könnte sie Aufpasser nennen. Sie erscheinen mir so. Sie achten auf dich. Passen auf, dass du isst. Passen auf, dass du dick wirst. Und hässlich.
Auf die Frage, was ich wolle, antworte ich nicht. Ich weiß es nicht. Möchte es nicht wissen. Das Essen ekelt mich an. Es widert mich an. Es ist schuld daran, wie meine Situation ist. Meine Situation ist erbärmlich. Es hat mich in die Knie gezwungen. Jetzt werde ich es in die Knie zwingen. Ich habe wieder die Macht und die Kontrolle darüber. Das ist schön. Nun wird mir einfach etwas aufgefüllt. Weil ich nichts gesagt habe. So viel Suppe! Das kann ich nicht essen.
Ich sehe sie einfach an. Ohne einen Gedanken daran zu verschwende, sie wohl zu essen. Sie wird sicher kalt.

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